Treuhandmandat ohne Vertrag

Liebe Community
Ich frage mich, ob ein Treuhänder der die Buchhaltung etc. einer Firma ohne Mandatsvertrag oder dergleichen führt, irgendwelche Forderungen stellen kann, wenn die Firma den Treuhänder wechseln will? Hat da jemand rechtliche Erfahrungen?
Die Verrechnung der aufgelaufenen Aufwendungen ist logisch. Gibt es aber doch rechtliche Aspekte welche dem Treuhänder zusichern, dass er zum Beispiel das Geschäftsjahr zu Ende machen darf?
Gilt der Vertragslose Zusammenarbeit zwischen Firma und Treuhänder als Werkvertrag?

Danke für Eure Gedanken.

Ohne jeglichen Vertrag ist es für beide Parteien heikel und schwierig.

Was sie hier haben ist ein Auftragsverhältnis.

Der Treuhänder wendet sich hier wohl an den Art. 404 OR:
1 Der Auftrag kann von jedem Teile jederzeit widerrufen oder gekündigt werden.
2 Erfolgt dies jedoch zur Unzeit, so ist der zurücktretende Teil zum Ersatze des dem anderen verursachten Schadens verpflichtet.

Es gibt auch einen Art. 395 im OR, welcher besagt:
„Als angenommen gilt ein nicht sofort abgelehnter Auftrag, wenn er sich auf die Besorgung solcher Geschäfte bezieht, die der Beauftragte kraft obrigkeitlicher Bestellung oder gewerbsmässig betreibt oder zu deren Besorgung er sich öffentlich empfohlen hat“

Der Treuhänder hatte hier z.B. den Auftrag, Jahresabschluss 2023 aufzubereiten, Sie haben diesen Auftrag nicht sofort abgelehnt wie im OR beschrieben, somit ist es hier zu einem verbindlichen Auftragsverhältnis gekommen.

Es leider so, dass der Treuhänder einen Schadensanspruch geltend machen kann gemäss Art. 404 OR, weil Sie zu Unzeit den Auftrag „Kündigen“.

Hier hilft nur gute Kommunikation weiter, ein seriöser Dienstleister wird immer probieren, eine friedliche Lösung mit seinen Kunden zu suchen. Das OR hilft hier eher zu Gunsten des Treuhänders in diesem Fall

Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort buchhalter0701!
Hilft mir schon sehr. Das Geschäftsjahr 2023 ist vollständig abgeschlossen inkl.Steuern.
Nun läuft das Geschäftsjahr 2024 halt auch schon 5 Monate. Das heisst der Auftrag, zum Aufbereiten des Jahresabschlusses 2024 ist bereits „stillschweigend“ angenommen worden? Man müsste klipp und klar sagen, dass ab 01.01.2025 ein anderer Treuhänder übernehmen wird? Verstehe ich das richtig?

Liebe Grüsse

Jaein, also Grundsätzlich kann man Mandaten Vertrag mit einem Treuhänder mit der Kündigung beenden, dabei sind dann die Fristen zu beachten. Da aber ja bei Ihnen ungünstiger Weise kein Schriftlicher Vertrag besteht, ist es hier die Sachlage kompliziert.
Grundsätzlich wird empfohlen, Treuhänderwechsel per neuen Geschäftsjahr zu machen, also für die meisten Unternehmen per 1.1… Ich kann Ihnen nicht sagen, ob ohne Vertrag ein Schiedsrichter im Streitfall sagen würde, das unterjährige Beendigung des „Auftrages“ als zu Unzeit eingeschätzt wird und dabei Schadenersatzanspruch entsteht. Der Treuhänder könnte wahrscheinlich argumentieren, dass er bereits für das Jahr 2024 Kosten für Softwarelizenz hatte, Ressourcen bereitgestellt hatte oder das er andere Mandaten stattdessen hätte aufnehmen können, und und und, wer streiten will findet immer Argumente.

Ich bin kein Jurist, daher kann ich Ihnen nicht genau sagen, wie hier im Fall eines Rechtsstreites vorgegangen wird, kenne aus meiner Praxis bis dahin noch keinen ähnlichen Fall. Entweder würde ich hier ein Gespräch mit dem Treuhänder suchen um eine gemeinsame Einigung zu finden, und falls dies nicht möglich ist, würde ich evtl. die Rechtsschutzversicherung einschalten, wenn der Treuhänder hartnäckig bleibt. Zwingen Sie als Mandatin zu behalten kann er Sie nicht, wie hoch und ob überhaupt einen Schadenersatzanspruch besteht, wird dann der Richter entscheiden müssen, sollte es so weit gehen.

d02107.pdf (10,9 KB)

Im Merkblatt für Treuhänderverhältnisse steht allerdings deutlich, dass Abmachungen zwischen Treugeber und Treuhänder SCHRIFTLICH erfolgen müssen. Dieses Merkblatt wurde durch die Eidg. Steuerverwaltung erstellt, also hat es seinen Gewicht, auch wenn im Gesetzt im Auftragsrecht eine Formfreie, Mündliche Abmachung erlaubt ist.
Man könnte dies sicherlich als Gegenwehr nutzen, vielleicht würde deswegen der Richter eine Kündigungsfrist und Schadensersatzanspruch ablehnen und Sie wären dann quasi befreit. Aber eben, das sind nur meine Spekulationen

Herzlichen Dank für diese Ausführliche Antwort buchhalter0701 und die Bemühungen!
Hilft mir sehr weiter!

Lieber Gruss